Hühnerfüsse und Rinderbrühe

14. Oktober 2018 - Ho-Chi-Minh-City, Vietnam

Breakfast at Ho-Chi-Minh

Es fällt jedem Besucher Saigons sofort auf, dass Essen einen enorm wichtigen Stellenwert in Vietnam einnimmt: Ganze Strassen sind gefüllt mit Restaurants, Street Food, Küchen auf Rädern und Verkäufern, die mit ihrem Motorrad, Fahrrad oder Bauchladen auf- und abgehen und Passanten ihre Leckereien verkaufen wollen.

Q.E.D. sind entweder Nudeln oder Reis fast immer dabei – schliesslich ist man ja in Asien. Die vietnamesische Küche hat sehr oft Fleisch oder Fisch als Beilage dabei, aber in kleineren Mengen, als man es sich in Europa oder Amerika gewöhnt ist. Zu 80% wird Schweinefleisch serviert und egal welches Tier, häufig sind Fettstreifen oder Schwarten dabei, die daheim entweder weggeschnitten werden oder vom Metzger als «schlechtes Fleisch» bezeichnet wird. Da aber Fleisch sehr häufig in Suppen serviert wird, macht es wieder Sinn, dass Fett als Geschmacksträger mitgenutzt und -gekocht wird.

Wie erwähnt, sind Suppen oft Bestandteil der Mahlzeit, nicht cremige Suppen mit Rahm, sondern Brühen und Bouillongemische, die mit frischem Gemüse kombiniert werden, was jedem, der gerne gesund lebt, das Herz höher schlagen lässt.

Jedem Tourist sei angeraten, in den ersten Tagen folgende Gerichte zu probieren:

Phở: Keine Ahnung, wie es richtig ausgesprochen wird (Annäherung: «Phö», mit einem angedeuteten «ng» am Schluss). Grundsätzlich ein wenig sehr dünn geschnittenes Fleisch mit dünnen Nudeln und einer Brühe mit frischen Zwiebeln und ähnlichem Kleingemüse. Davon gibt es natürlich unzählige Varianten, die zu probieren man nie müde wird. Normalerweise wird Schwein gebraucht, doch das Gericht existiert auch mit allen erdenklichen Tieren, die man auch in Europa im Supermarktregal findet und auch vegetarisch, mit reingeschlagenem Ei. Neben dem Phở wird immer eine Schüssel mit frischem Gemüse hingestellt, bei dem man sich bedienen kann – und ein Zitronenschnitz zum Reinpressen.

Bún bò Huế: Ähnlich wie das «Phööö», aber mit deutlich mehr Umamigeschmack, da mehr Fleisch (traditionell Rind) und dickere Nudeln gebraucht werden. Genau wie bei der vorherigen Speise wird viel frisches Gemüse verwendet. Das schönste kulinarische Erlebnis ist, wenn man von Einheimischen zum Abendessen eingeladen wird und eines der traditionellen Nationalgerichte, welche geschmacklich in Südvietnam, Zentralvietnam und Nordvietnam sehr variieren. Die Bùn Bò Suppe enthält immer Tierknochen, Zitronengras und Wasser als Basis, welche fünf Stunden lang gekocht wird und darin werden die gekochten Reis- oder Eiernudeln reingelegt und mit Gemüse, wie gekringelte Frühlingszwiebeln, Limette, Chili, fein geschnittene Bananenblütenraspeln vom Gast selbstständig verfeinert. Die Geheimzutat des Gerichts ist eine eingekochte Shrimppaste, wie der Gastgeber beim Couchsurfing verrät.

Hot Pot: Einem Fondue Chinoise gleich, ist ein Suppentopf, in dem eine Brühe, Suppenknochen und Fleisch mit Gemüse schwimmen. Dazu bekommt man eine Platte mit allen möglichen Sachen von Fleisch über Pilze und Gemüse, die man in die Suppe wirft und eine Minute später wieder herausnimmt, um es zu verspeisen. Hot Pots sind ein sehr soziales Ereignis, da alle am Tisch aus dem selben Topf essen.

Banh Mi: Eigentlich heisst es «Brot», aber beim Streetfood versteht man darunter ein aufgeschnittenes, längliches Weissbrot, das man mit frischem Gemüse (sieht man das Schema?) und verschiedenen Schweineprodukten wie Leber, Schweinemagen, pulled Pork u.ä. füllt. Natürlich auch hier gilt: Variationen ohne Ende.

Summer Rolls: Der rohe Cousin der Frühlingsrolle. Gewickelt in das selbe Reispapier wie ihre frittierten Cousins, werden sie nicht ins heisse Öl getaucht, sondern roh serviert. Glasnudeln, Salat, Pfefferminze und Shrimps sind gern gesehene Gäste in den Rollen und wirken erfrischend durch was wohl? Na, das frische Gemüse.

Wer sich nach einiger Zeit etwas mehr getraut, kann abenteuerlichere Speisen probieren wie zum Beispiel getrocknete Tintenfische von Strassenhändlern oder Hühnerfüsse (ganz ehrlich: Wenn «Chicken leg» auf der Karte steht, erwartet man ja nicht gerade Füsse, oder…?). Schlangen und andere Tropentiere werden mehr auf dem Land gegessen und im Moment liegen dem Autor keine persönliche Erfahrungen vor, doch es wird dazu geraten, wenn man «speziell» essen möchte, mit einem Vietnamesen zusammen unterwegs zu sein, der als Übersetzer oder Notfalldienst fungiert.

Trinken ist ebenso wichtig wie essen und schnell bemerkt man den Reistee, der in vielen Cafés und Restaurants gratis dazu serviert wird. Egal, was man bestellt, das Glas wird regelmässig gefüllt. Reistee ist ein Aufguss aus gebackenem, braunem Reis (manchmal vermischt mit Grüntee) und wird kalt mit Eis angeboten. Das Getränk hat einen angenehmen, nussigen Geschmack, wirkt sehr hydrierend und ist gesund und voller Vitamine. Den Einfluss der französischen Kolonialmächte merkt man im Kaffee, der überall ist. Es gibt sogar eine vietnamesische Variante, bei der die Sahne durch aufgeschlagenes Ei ersetzt wird (Egg Coffee).

Bier wird erstaunlicherweise mit Eiswürfeln serviert, weil es weniger kostet, Eiswürfel herzustellen, als Bier kaltzustellen. Etwas gewöhnungsbedürftig, doch bei den tropischen Zuständen ist man immer froh um etwas Abkühlung.

Natürlich findet man nicht nur vietnamesische Kulinarik, praktisch jede Nation hat sich irgendwie in Ho-Chi-Minh-Stadt niedergelassen und ein Restaurant etabliert. Besonders verbreitet sind andere südostasiatische Länder und Indien.

Die Fruchtauswahl ist natürlich grösser als auf einem europäischen Markt und man sollte mindestens einmal auf das Geratewohl zufällige Früchte kaufen und sich von einem Einheimischen erklären lassen, wie man sie isst. Ein interessantes Beispiel ist Durian, eine Frucht, die dermassen stinkt, dass man sie nicht auf Hotelzimmer bringen darf, aber dessen Fleisch angenehm süsslich schmeckt. Andere bekanntere Beispiele wie die Drachenfrucht (pinkes und weisses Fruchtfleisch mit schwarzen Punkten) und die Banane, die hier viel intensiver schmeckt, sind natürlich im Magen gern gesehene Gäste.

Meerestiere sind natürlich auch wahnsinnig beliebt und man findet diese in jedem Restaurant. Wenn man am Meer vor Sonnenaufgang weilt, entdeckt man über dem dunklen Wasser hunderte Lichtpunkte, welche wie eine Stadt auf der anderen Seite erscheinen, doch es sind Fischer, welche auf dem Meer ihr Glück versuchen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen Mui Nè erreichen, kann man die Fischer entdecken, wie sie in ihren Plastiknussschalen ans Ufer schippern und als Gruppe von zehn Personen die Netze an Land ziehen. So ein aufregendes Erlebnis. Wenn man nett fragt, darf man sogar mithelfen. Die Beute ist leider nicht allzu gross, denn das Meer ist überfischt und wird von vielen Berufsfischern ausgenommen. Da reicht es kaum für ein Festessen.

Die Franzosen haben ihre Spuren hier hinterlassen im Form des Kaffees. Eine interessante Variante ist der «Egg coffee». In einem heissen Land, wo man nicht immer Zugriff auf Sahne, Milch oder Kondensmilch hat, kam man auf die Idee Eierschaum zu schlagen und mit Kaffee zu vermischen. Das Resultat ist ein angenehm cremiges Getränk mit einem Nachgeschmack von Ei, das den bitteren Kaffee abschwächt und ideal ist für Zwischendurch oder nach einer leichten Mahlzeit.

Über dieses Thema könnte man endlos weiterschreiben und sich darin verlieren, doch anstelle die Zeit zu vergeuden, Artikel über die vietnamesische Küche zu lesen/schreiben, sollte man sie viel lieber damit verbringen, ein Bun Bo zu bestellen.

Wie die Vietnamesen so schön sagen: «Ngon miêng!»